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Editorial Literatur Magazin 05/18

ERINNERUNGEN BRAUCHEN EMOTIONEN

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Erinnerungen sind eng mit Emotionen verbunden. Kürzlich verblüffte mich ein Freund, der bei einem Wiedersehen nicht nur die Uhrzeit und den Ort unserer Begegnung abrufen konnte, sondern auch meine Worte. In diesem Fall ein Kompliment! An meinem Geburtstag stand ich vor meiner alten Schule und erinnerte mich an den Geschmack der Pausenbrote, immer die Gleichen, jahrelang. Die Erinnerung war gut. Sie vermittelte keinen Anspruch auf Kulinarik, sondern an Heimat. Ich liess mich bewusst auf diese Zeitreise ein. Später, bei einem Besuch auf dem Wochenmarkt, purzelten die Erinnerungen an Gurkensalat mit viel Dill, an Matjesheringe mit Wacholderschmand und an den gedeckten Apfelkuchen meiner Grossmutter durcheinander. Die Düfte von Königsberger Klopsen und dem freitäglichen Kabeljau in Senfsauce stiegen mir in die Nase. Natürlich landeten einige Gläschen von diesem Senfklassiker in meinem Reisegepäck und mit ihm der Vorsatz, meine Freunde bei nächster Gelegenheit mit Kabeljau in Senfsauce zu verwöhnen … im Steamer gegart und die Senfsauce keineswegs auf Mehlschwitzebasis zubereitet. Ich habe in den vergangenen 16 La Tavola-Jahren viel Zeit mit tollen Chefs in Profiküchen verbringen dürfen und überall gelernt. Aus dem kleinen Mädchen mit den Pausenbroten ist eine leidenschaftliche Köchin und Gastgeberin geworden. Diese Reise war auch eine Seelenreise. Ich bin auch in das alte Forsthaus gefahren, in dem ich lange Zeit sonntagabends mit meiner ersten Liebe ein Schinkenbrot geteilt habe, weil wir uns zwei nicht leisten konnten. Erinnerungen brauchen Emotionen! Nur Gefühle machen es möglich, dass sich Ereignisse im Gedächtnis verankern. Ich habe das Glück, dass in meinem Kopf viele sinnlich-köstliche Erinnerungen gespeichert sind. Dort bin ich zuhause, in der Welt der Düfte, der Aromen und Geschmäcker, in der Welt der Formen und Farben.

Herzlichst
Ihr La Tavola-Team und

Marion Michels

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