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Küchennotiz Magazin 02/17

BÄRLAUCH – EIN EINZIGARTIGES WILDGEMÜSE

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Fotografie: Dave Brüllmann
Text: Inge Ahrens

Keine Bären in Sicht! Stattdessen ganze Teppiche hellgrüner lanzförmiger Blätter, die den Maienwald verzaubern. Kleine sternförmige Blütendolden malen sonnenhelle Tupfen in die Bärlauchteppiche. So weit das Auge reicht! Und wie das nach frischem Knoblauch duftet! Wildkräutersammler sind startklar, denn der Bärlauch hat Hochsaison. Nichts wie ab in die Büsche. Die mitgebrachten Papiertütchen können gezückt werden. Die Messer sind geschärft. Je nach Blütenstand werden die kaperngleichen noch geschlossenen Knospen abgeknipst oder bloss das Blattgrün mit dem scharfen Messer geschnitten und zwar bundweise. Natürlich wird niemals im Naturschutzgebiet geräubert und auch immer nur so viel genommen, wie wir brauchen. Bärlauch, auf Lateinisch «Allium ursinum» gehört in die riesige Lauchfamilie, von der es über 250 Arten gibt. Er wächst reichhaltig und das nicht nur in Europa, sondern auch in Kleinasien und im Kaukasus. Bärlauch liebt Senken, in denen Flüsse plätschern, die lichten Auen- und Mischwälder, in denen mehrere Laubbaumarten eine Familie bilden und ihn mit Halbschatten verwöhnen. In der Schweiz findet man den Waldknoblauch in tieferen und mittleren Lagen. In den Voralpen gedeiht er bei guter Lage auf 1900 Metern Höhe. Dort ernten die Bergbauern ihn seit Menschengedenken. Ramser sagen die Berner zu ihm. Ränze heisst er im Aargau und Remschala in St. Gallen. Bei uns im norddeutschen Flachland trat er seinen Siegeszug erst nach dem Millennium an. Seitdem treibt es uns Jahr für Jahr zur wilden Ernte. Bärlauch ist eines der Wildkräuter, das die Menschen schon in der Steinzeit sammelten. Während die meisten Arten im Laufe der Jahrhunderte kultiviert wurden, wächst der Bärlauch weiterhin wild und bleibt auf Grund seiner Population besonders geschmacksintensiv. Im Volksmund nennt man ihn Knoblauchspinat, Wilden Knoblauch, Waldknoblauch, Hexenzwiebel oder Zigeunerlauch. Sein Duft wurde in der Literatur schon mit dem eines einschlagenden Blitzes verglichen. Ich finde, sein Aroma ist viel köstlicher, vor allem, wenn er pflückfrisch verwendet wird. Dann gebe ich ihn gern, zu einem Pesto verarbeitet, als Würze in eine schaumige Kartoffelsuppe oder richte ihn mit Tomatenconcassée, Ziegenfrischkäse oder Quark zu einer dampfenden Frühlingskartoffel an. Die deutsche «Grüne Sauce», die aus sieben Küchenkräutern besteht, wird mit dem Bärlauch besonders gut. Habe ich zu viel Bärlauch geschnitten, mische ich das übrig gebliebene fein geschnittene Blatt mit Senfmehl, Salz, Weinessig und Weisswein und habe so für später einen herrlichen Senf. Ob die geschlossenen Blüten, die wie Kapern in Meer-Salz konserviert werden, oder die Blätter, Bärlauch ist Genuss pur. Und da ich schon mal im Wald bin, zupfe ich vom jungfräulichen Grün junger Buchen die noch ganz plissierten frischen Blätter, bevor sie sich endgültig entfalten. Das Esslaub der Buche mit den Bärlauchblättern und ein paar seiner schneeweissen Sternenblüten zum Lollo Rosso oder zum Endiviensalat sind ein herrlicher Auftakt zu einem sonntäglichen Essen. Der jahrelange Streifzug durch den Frühlingsmischwald hat meine Sinne geschärft. Die Nasenflügel beben. Die Augen suchen. Wieder hat der Bärlauch das alte Laub vom vergangenen Jahr mit hellem Grün überzogen und den Winter endgültig ausgetrieben. Der Frühling ist da!

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